Dorfleben aus der Feder der Nachkriegszeit

Hambucher Dorfakademie präsentierte gelungene dritte Auflage des Nachttheaters

Dorfleben aus der Feder der Nachkriegszeit Der Gemeinderat tagt Ende der 1940er Jahre auf den Treppenstufen der Pfarrkirche
Der Gemeinderat tagt Ende der 1940er Jahre auf den Treppenstufen der Pfarrkirche

Hambuch. „Der strenge „Schetz“, seines Zeichens Bewahrer von Zucht und Ordnung im Dienste der Gemeinde, war diesmal beim geschichtsträchtigen Rundgang durch „Homesch“ nicht als Führungsgehilfe mit von der Partie. Er hatte sich, nach Auskunft von Akademie-Chef Ningel, nicht nur mit dem „Scheffe“ (Bürgermeister), sondern auch mit dem Escher Gendarm „Schimmisch“ überworfen. Letzterer war offiziell für Hambuch als Ordnungshüter zuständig. Nicht geliebt, aber dennoch akzeptiert“ – exakt so lauteten die einleitenden Worte zum Einstieg ins Homescher Nachttheater 3.0, das auch diesmal wieder binnen kürzester Zeit ausverkauft war.

Spannende Wanderung

Von der Alten Probstei aus ging es für die Theaterwanderer durch den nächtlichen Ort, wo sich in den nächsten zwei Stunden diverse Ereignisse, mal froher mal trauriger Natur abspielten. Hautnah mit dabei diejenigen, die sich eine Eintrittskarte sichern konnten. In Ermangelung des „Schetz“ als Frontmann, war es der gewollte Zufall, dass zu jeder Zeit immer rechtzeitig ein Gemeindemitglied auf der Bildfläche erschien, um die Theaterfreunde auf den richtigen Weg zu weisen. Den Anfang machte hier „Grit“ Steffes, die unterwegs zum Friedhof war und die Leute mit zur unmittelbar angrenzenden Pfarrkirche nahm. Hier verließen gerade „Kath“ und „Lisbeth“ das Gotteshaus, die sich dabei lautstark über ihre Probleme mit den Kindern austauschten. Dann verließ der „Kiste“ (Küster), Leihgabe aus „Dünnichem“ (Düngenheim), die Kirche und führte den Tross zur Open-Air-Gemeinderatssitzung, die heuer auf der Kirchentreppe eines Seitenausgangs stattfand. Der Scheffe hatte im Anschluss an die Messe nach hier geladen und prangerte unzumutbare, hausbackene Probleme im Ort an. Hier war jeder dem anderen sein „Deuwel“ (Teufel), denn man schaute in der Nachkriegszeit, noch lange vor dem Wirtschaftswunder, nur auf seinen eigenen Säckel. Unter dem Motto „mein „Oasch“ ist mir der Nächste“ war der Disput groß, was der Scheffe alsbald lautstark mit den Worten: „Kein Krach im Rat – zänke künnt ihr daheim mit Eure Weiber“, unterband. Den vom Scheffe zur Schlichtung offerierten Bezugsschein für Gamaschen wollte anschließend keiner mehr haben. Über die schmutzige Wäsche der Nachbarn tratschten zwei Bäuerinnen, die Ende der 1940er Jahre ihre Angst vor dem Briefträger bekundeten. Dieser hatte meist keine guten Nachrichten für die Empfänger dabei. Oftmals war es die schriftliche Information über einen Gefallenen aus der Familie. Zum Abendgesang zwischen aufgetürmten Strohballen hatten sich französische Kriegsgefangene mit deutschen Mädels getroffen, ein Unterfangen, das von den meisten nicht gerne gesehen war. So wurden auch hier die Besucher schnell Richtung Ortsmitte verscheucht. Hier hatte in einem angrenzenden Bauernhof Kuh Elsa eine schwierige Niederkunft vor sich. Mit vereinten Kräften wurde jedoch das „Model-Kalb“ per Strick in die Welt befördert. Während es die Kinder mit Stroh trockneten, ließen sich die eifrigen Geburtshelfer den „Selbstgebrannten“ schmecken. Auf der Scheunen-Bühne des Dorftheaters boten junge Leute ein gereimtes Theaterstück über Liebe, Leid und Tod, bei dem sich die Förster-Christel nicht zwischen einem Wilddieb und dem Sohn eines Gastwirtes entscheiden konnte. In der Folge traf die Gruppe einmal mehr auf tratschende Weiber, von denen sich eine als neureich zu erkennen gab und die andere an einer schmalen Geldbörse litt. Dann bestieg man zusammen mit Gendarm Schimmisch den Bus, der hier regelmäßig zwischen Esch und Homesch verkehrte. Busschaffner Roland bekam sich gleich darauf mit dem offensichtlich korrupten Beamten in die Wolle, weil dieser mal wieder nichts für die Fahrt bezahlen wollte. Dafür ließ er aber, zu dessen Leidwesen, den schmuddeligen Homescher Taugenichts Rudolf ohne Fahrkarte mitfahren. Der ging im Bus auf Betteltour und kippte sich dabei diverse Schnäpse hinter die Binde. An der Haltestelle „Hambuch-Nord“ war Endstation und beim Aussteigen bemerkte man einen laut hupenden Lkw, auf dessen Ladefläche man die beiden Homescher Kirchenglocken „Berta & Sophie“ ankarrte. Im Hamburger Hafen wurden sie nach langer Suche aufgefunden. Unbeschadet und der Schmelze für die Kriegsmaschinerie entkommen. Während vorneweg die Blasmusik in Richtung einer „Hillisch“ (Polterabend) zog, kam man am Totenlager der aufgebahrten „Traud“ vorbei, wo es nach reichlich Wehklage ebenfalls wieder Schnaps gab. Die männliche Dorfjugend spielte in einer Seitenstraße das „Wunder von Bern“ mit Kommentator nach und ganz in der Nähe vernahm man auch den Gesang der Hillisch. Dem gaben sich die örtlichen Junggesellen voller Inbrunst hin und erhielten dafür vom Bräutigam 100 Mark. Gleichzeitig galt es, für die angehenden Eheleute das dabei zerdepperte Porzellan mittels Reiserbesen zusammenzukehren. Auf dem Rückweg zur Probstei traf man noch auf einige Wanderarbeiter, die sich über die karge Entlohnung und die dürftigen Mahlzeiten von ihren Auftraggebern beschwerten. Dennoch knüpften sie ihr Bündel zusammen und begaben sich, in der Hoffnung auf bessere Zeiten, wieder auf die Walz.

Ein echter Augen- und Ohrenschmaus

Auch bei seiner dritten Auflage war das Nachttheater ein echter Augen- und Ohrenschmaus, bei der die versierten Laiendarsteller durchweg der Mundart treu blieben und überzeugend und glaubhaft agierten. Ein Erlebnis ohnegleichen, zu dessen Realisierung sich diesmal rund 100 Darsteller von den Theatervereinen aus Kaisersesch, Düngenheim, Urmersbach, Kaifenheim, Möntenich, Hambuch und Mayen sich toll in Szene setzten. TE

Quelle: http://www.blick-aktuell.de


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